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dipl. ing. thomas ziesel
     
   

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philosophie

Die Wirklichkeit hinter den Dingen

 
 

 

" Du kannst über die Wirklichkeit nichts aussagen, wenn Du nur die sichtbare Oberfläche der Dinge beschreibst, die jedermann vor Augen hat. Die Wirklichkeit steht hinter den Dingen und man kann nur in Bildern von ihr sprechen."

 

 

"Meine Hand? Wieso meine Hand?" fragte ich erstaunt.
"Du wolltest doch etwas lernen? - Über das "Fliegen", über die Natur und ihre Sprache," sagte die Wolke.
"Ja natürlich!"

 

 

"Also betrachte zuerst deine Hände! Jede Falte in deiner Haut, ihre Linien schreiben die Geschichte ihrer Entstehung. Du ´weißt´, dass du deinen Finger abbiegen kannst - aber würdest du dies auch an der Form deiner Haut ´sehen´ können?"
"Wie meinst du das?"
"Jede Bewegung die deine Finger, ihre Gelenke, die Sehnen und die Muskeln machen können, geben der Haut ihr spezifisches Erscheinungsbild. Keine Falte ist zufällig an ihrer Stelle und hat diese oder jene Form. Wenn du den inneren Zusammenhang begreifst, diese Wechselwirkung, dann erkennst du diesen auch schon an seinem äußeren Erscheinungsbild. Die Falten sind sozusagen nur die eingegrabene Bewegungsmöglichkeit deiner Hände und Finger und noch vieles mehr. In der Natur ist absolut alles miteinander verbunden. Nichts existiert für sich alleine und in jeder äußeren Erscheinung lassen sich auch die inneren Zusammenhänge ablesen.
"So wie das Lachen oder Weinen Spiegel unserer Gefühle ist?"
"Ja, - so wie die Wellen der Ozeane uns über die Kraft des Windes, über die Lage von Inseln und Kontinenten erzählen können..." "...wie soll man dies denn alles ´sehen´ können?" "...man könnte es vielleicht auch empfinden nennen."
"Empfinden?"
 

"Es gab vor lange Zeit noch viele Menschen, die dies konnten. In der Südsee lebte ein Volk, das durch seine Harmonie mit der Natur und dem Wasser fähig war, riesige Entfernungen oder Strecken ohne navigatorische Hilfsmittel zu überwinden. Diese Menschen ließen einfach ihre Körper im Wasser die Bewegungen der Wellen aufnehmen. Durch dieses Aufnehmen und Empfinden konnten sie spüren, woher die Wellen kamen, an welcher Stelle sie waren und wo die nächste Insel liegen würde..."

 

"Es klingt fast ein bisschen wie das Fliegen. Das Kreisen und sich aufsaugen lassen in den Rhythmus der Luft."
"In dem Moment, wo du beginnst dich als Teil dieses Elements und der gesamten Natur zu fühlen wirst du sicher sehen und spüren können, was dir vorher verschlossen war. Alle Elemente erzählen dir von den Wechselwirkungen und den Zusammenhängen. Selbst die scheinbar unsichtbaren Bewegungen der Luft wiederholen sich im Muster der Felsen, zeigen sich im Sand des Strandes oder in der geballten Kraft einer Welle wieder."

 

Meine Blicke schweiften umher, verloren sich in der Unendlichkeit des Himmels und folgten dem Spiel der Wolken. Wenn es möglich war, all dies zu sehen - nein, besser noch zu empfinden und dadurch verstehen zu lernen, wie stark würden sich meine Gefühle verändern? Welche Beziehung würde sich plötzlich zwischen mir und den Elementen, dem Wasser, der Luft, all der umgebenden Natur einstellen? Beziehung? Ist dies denn nicht nur zwischen Menschen möglich? Vielleicht noch zwischen Tieren und Menschen? Aber ein tieferes ´Empfinden´ zu den Naturelementen?

 

 

Als hätte sie diese Frage gehört, meldete sich meine Wolke wieder. " Diese Trennung zwischen den Menschen und allen anderen Lebensformen, allen Lebenselementen auf unserer Welt existiert nur in euren Köpfen. Alle Dinge haben den selben Ursprung und sind miteinander verbunden. Die Luft in deinen Lungen ist auch der Atem dieser Erde, das Wasser in deinen Adern durchfließt auch die Flüsse unserer Welt. Du hast zu allen Elementen eine tiefe Verbindung, es liegt nur an dir, sie auch zu spüren und dadurch verstehen zu lernen." Die Gedanken beginnen zu kreisen.

 

 

 

" Nichts existiert für sich alleine und an jeder 'äußeren' Erscheinung lassen sich auch die 'inneren' Zusammenhänge ablesen."

 

 

Habe ich bis jetzt nicht immer gelernt alles zu trennen, zu analysieren, auseinander zunehmen? Wohin hat uns unsere Naturwissenschaft gebracht, mit ihrer Art zu denken? Natürlich erklärt sie uns viel. Aber ist das wirklich schon alles? Wo ist die Seele, diese tiefe Beziehung zwischen den Dingen geblieben? Ich kann die Funktionsweise eines menschlichen Körpers versuchen zu erklären - aber lerne ich diesen Menschen dadurch wirklich zu verstehen? Kann man jemals die Natur verstehen ohne die Suche nach ihrer Seele, nach ihrem Wesen anzutreten?

 

" Es ist wie eine innere Freundschaft", gesellt sich die Wolke zu meinen Gedanken. " Sobald sich eine innere Beziehung zwischen den Dingen entwickelt, beginnst du diese mit anderen Augen zu betrachten. Nicht das Trennende, sondern all das Verbindende wird deine Wahrnehmung bestimmen."

 

Dann löste sie sich auf. Die Wolke verschwand ebenso schnell wie sie sich gebildet hatte und ließ mich mit meinen Träumen allein. Ich folgte noch ihrer Bewegung, als meine Blicke wieder meine Hände trafen. Jetzt verstand ich; ich hatte einen neuen Freund und war bereit dessen Sprache zu lernen!


Artikel in einer Drachenflugfachzeitschrift

Text + Fotos Thomas Ziesel